XVII Intim.Rasur

Nach diesen zwei Wochen wird er beginnen, sich wieder zu rasieren. Er hatte in der Zeit, in der sie in Strasbourg war, begonnen, sich unter den Achseln, seine Brust und seine Schamaare zu rasieren.
Sie hatte seine seltenen Bemerkungen bis dahin immer ignoriert, dass Frauen sich üblicherweise die Achselhaare rasieren. Bisher hatte sie das nur hie und da bei der Beinbehaarung getan. Sie hatte außerdem einen sehr dicht und breit behaarten Venushügel, sodass bei jedem Badeanzug oder Bikini zahlreiche dunkle Schamhaare seitlich herausragten. Er sah, wie andere Männer sie deshalb am Strand oder im Bad anstarrten, und führte ihre Weigerung, es wie fast alle Frauen zu tun, darauf zurück, dass sie dadurch absichtlich die Blicke auf sich ziehen wollte.
Er hatte ihr einmal ein gelbes Hüfttuch geschenkt, damit sie ihre Schamhaare bedecken konnte, wenn sie in einem Strandcafe saßen, das sie direkt vom Strand aus aufsuchten.
Sie hatte es nie benützt.
Bis Strasbourg hatte sie ihm offensichtlich nicht zugetraut, etwas über die „Frauenwelt“ zu wissen. Erst während ihrer Arbeit in Frankreich hatten ihr die Freundinnen nahe gelegt, dass sich eine Frau heutzutage einfach rasiere.
Ihn hatten ihre dichten Schamhaare beim Lecken häufig irritiert, vor allem, da sie auch nach dem Duschen noch den Geruch von Urin festhielten. Oder Krümel billigen Toilettepapiers. Seit Strasbourg hatte sie die Schamhaare seitlich ausrasiert und im Bereich der Scham getrimmt – er hatte ihr danach einige Male die Schamhaare rasiert und einmal fast völlig entfernt, worauf sie begann, es immer allein zu tun. Sie waren immer unregelmäßig geschnitten und ihre Schamlippen trugen einige längere Haare, die sich in seinen Zähnen verfingen.
Das war lange her, denn sie hatte sich seit einiger Zeit verbeten, von ihm geleckt zu werden.
Als er sich nach den zwei Wochen wieder rasierte, blutete er wie damals, als er begonnen hatte, die Schamhaare auf einen schmalen Streifen oberhalb seines Schwanzes zu reduzieren und die Haare auf dem Hodensack und an der Unterseite seines Gliedes zu entfernen.
Sie sollte keine Haare spüren, wenn sie ihm einen blies.
Das war zweimal in ihrem Leben der Fall gewesen – einmal in Südfrankreich und einmal in Strasbourg. Wie ihm schon bald bewusst wurde, wandte sie diese Sexualpraktik nicht aus einem inneren Bedürfnis an, sondern aus einem schlechten Gewissen heraus, hatte sie doch in Strasbourg eine Affäre mit einem jüngeren Mann begonnen. Sie hoffte damit, ihr Gewissen zu beruhigen.
Zeit seines Lebens hatte er sich nach diesem intimen Kontakt gesehnt.
Ihr Geschlechtsverkehr war vor der Ehe und danach bis etwa ein Jahr vor den zwei Wochen geprägt von ihrer sich selbst verordneten passiven Frauenrolle. Er sorgte für das Vorspiel und durch Lecken für die möglichst schmerzfreie Penetration, er sorgte dafür, dass es zu keiner vorzeitigen Ejakulation kommt – er dachte in solchen Situationen an seine Arbeit oder er begann sein kindliches Abendgebet – falls sie vor dem Schlafengehen beisammen waren – zu sprechen -, wartete, bis sie ihren klitoralen Orgasmus hatte, und kam meist unmittelbar danach.
Früher hatte sie beim Geschlechtsverkehr manchmal gesprochen, ihn sogar mit einer gewissen biederen Obszönität, die sie sich zugestand, anzufeuern, mit der Zeit verstummte sie. Die Anfeuerung wie „Mach es mir!“ hatte ihm zu Beginn geholfen, seine Erektion zu halten, wenn das Vorspiel sehr lange war, um sie auf das Eindringen vorzubereiten. „Fick mich!“ war wohl das Äußerste.
Sein Glied hatte sie nie benannt. Er hatte einige Male versucht, verbal zu kontern, war aber in der Wortwahl wenig geschickt, vermutlich weil er das in Pornofilmen und -büchern übliche Vokabular nicht auf ihr Beisammensein anwenden wollte.
Er hatte einige Male ihren Arsch benannt, hatte aber das Gefühl, dass sie hier eher blockiert wurde. Dabei war ihre Rose sehr empfänglich für sein Zungenspiel und sie genoss es, wenn er mit dem Daumen ein wenig in sie eindrang. Er wusste, dass sie mit einem ihrer ersten Liebhaber Analverkehr versucht hatte. Mit ihm gab es solche Experimente nicht. Einige Male in der Badewanne, einige Male am Fußboden.
Nach ihrem Verstummen war er auf sich allein gestellt.
Er hatte ihr häufig durch bloßes Lecken einen Orgasmus bereitet, indem er seinen Mund und seine Zähne gegen ihren Kitzler presste und mit seiner Zunge in ihre feuchte Scham eindrang, allerdings ertrug sie einen solchen Orgasmus meist nur sehr kurz und wehrte ihn danach mit ihrer Hand ab. Danach drang er in sie ein und musste nicht mehr soviel Rücksicht nehmen.
Selten zog sie ihn von ihrer Scham zu sich hoch, sein Gesicht und sein Bart mit ihrer Flüssigkeit und seinem Speichel nass. Sie wollte ihn danach auch nicht küssen, sondern er barg seinen Kopf neben ihrem auf dem Kopfpolster. Ekelte ihr vor ihrer eigenen Flüssigkeit? Er hatte sie beides Mal geküsst, nachdem sie seinen Schwanz in ihren Mund genommen hatte. Es war ein Kuss wie jeder andere, denn sie hatte nie seinen Samen aus ihm gesogen und er wusste, sie würde auch nie seinen Samen in ihren Mund aufnehmen. Das hatte sie früh einmal kategorisch abgelehnt und er hatte über zwanzig Jahre auch nicht gewagt, davon auch nur zu sprechen. Als er es doch tat, und davon sprach, wie sehr er sich danach sehnte, von ihrer Zunge ohne Hemmungen geküsst und geleckt zu werden, wäre es beinahe zur Trennung gekommen.
In seiner ersten sexuellen Beziehung vor ihr war es trotz der starken körperlichen Anziehung nur zu zaghaften Küssen der Genitalien gekommen, und das erst nach zwei Jahren am Ende der Beziehung. Zuvor hatten sie gewöhnlichen Sex miteinander, diesen allerdings in einer ekstatischen Intensität, wie er ihn nachher nie wieder erlebt hatte. In der Woche vor dem Bruch mit seiner ersten Geliebten war das Küssen der Geschlechtsorgane des anderen deren gemeinsamer, verzweifelter Versuch, das Letzte zur Rettung ihrer schon davor zerbrochenen Beziehung zu wagen. Sie waren einander hörig gewesen, aber das Herz war lange davor verstummt. Diese Erkenntnis war es, die beide unter Tränen voneinander Abschied nehmen ließ. Sie wussten, dass alles, was folgen würde, es nur noch schwerer gemacht hätte. Sie trennten sich, weil allein ihre Körper einander brauchten, sie das wussten und es für ein gemeinsames Leben zu wenig war. Zu verschieden auch die Klassen, aus denen sie gekommen waren. Sie sahen einander noch einige Male von Ferne in Konzerten – ihre Blicke fanden sich und sie wandten sich beide in Tränen ab, denn auch Leidenschaft kann aneinander binden.
Später, nach der Geburt ihres Sohnes wagte er lange nicht mehr, von oralem Sex zu sprechen, obgleich ihre sexuellen Akte immer mehr zur Routine geworden waren, wobei seine aktive und ihre passive Rolle noch extremer wurden.
In den zwei Wochen begründete sie es damit, dass sie ihn schon lange nicht mehr liebe und es aus ehelicher Pflicht täte. Genauso wie das in den letzten Monaten vor den zwei Wochen geschah, in denen sie ihn nur mehr mit der Hand befriedigte. Früher hatte er wegen der Trockenheit des Gliedes oft Schmerz empfunden, jetzt verwendete er vorsorglich Body-Lotion, mit der er sein Glied nach dem Duschen auch unter der Vorhaut einrieb. So rutschte die Vorhaut zwar früher zurück, aber ihre Hand fühlte sich durch die Lotion nicht mehr so trocken wie früher an.
Allmählich lernte er, auch auf diese Weise zu einem für ihn befriedigenden Orgasmus zu kommen, auch wenn er am Beginn häufig angespannt und verkrampft war, denn es gelang ihr nur selten, seinen Rhythmus aufzunehmen, der ihm das notwendige Maß an Erregung bereitete. Meist half es, wenn ihr Kopf seine Brust berührte oder sie in seltenen Fällen seine Brustwarzen mit den Lippen oder Zähnen umschloss. Er musste sie zu dieser Zärtlichkeit auffordern, dass sie seine Brustwarzen mit der Zunge oder mit den Zähnen erregte. Doch es mache ihm jetzt nichts mehr aus, bestimmte Praktiken zu fordern. Er sah das als Kompensation ihrer Libidolosigkeit.
Waren ihre Brustwarzen und das Berühren und Küssen ihrer Brüste früher noch ein möglicher Weg, sie zu erregen, hatte sich das schon vor mehr als zehn Jahren verändert. Sie wies ihn immer häufiger ab, wenn er es versuchte. Komplementär dazu war die Erregbarkeit seiner Brüste gewachsen, sodass er sich vorstellen konnte, allein durch deren Stimulation zu einem Höhepunkt zu kommen. Aber wie sollte er sie zu diesem Experiment bewegen?
Dennoch: Er hatte gelernt, sich ihren Händen anzuvertrauen.
Sie empfand keine körperliche Erregung mehr.
War es eine Form der Befreiung?
Wovon?