XVIII Eifer.Sucht

Eifersucht war vor allem in den ersten Jahren ihrer Beziehung ein ständiger und manchmal verhängnisvoller Begleiter. Sie hatte im Gegensatz zu ihm unzählige Affären und Beziehungen hinter sich, die teilweise mit ihrem künstlerischen Umfeld – sie wollte Schauspielerin werden, hatte sich dann aber für ein Studium der Psychologie entschieden – zusammenhingen, in dem sie sich als begehrenswerte junge Frau vorwiegend bewegte. Von diesen früheren Beziehungen erfuhr er wenig, höchstens Fragmentarisches, Zufälliges und in unterschiedlich umfänglichen Dosierungen. Erzählungen von ihren Erfahrungen mit Männern folgten häufig Eifersuchtsattacken seinerseits und dadurch Szenen, sodass sie sich wohl eines Tages dafür entschied, nichts mehr davon preiszugeben. Einerseits fühlte sie, dass sie ihm damit weh tat – das wollte sie damals nicht -, andererseits wollte sie sich selber schützen, indem sie einen Kordon aus Oberflächlichkeiten um sich zog, in welchem wenig von ihrer Vergangenheit und ihren Möglichkeiten zu Gefühlen zu finden war. Er wusste daher am Beginn ihrer Beziehung nicht einmal mit Sicherheit, ob sie einige ihrer Beziehungen noch weiterführte – er wusste von einer, die sie aber während der ersten Wochen ihres Kennenlernens beendete. Er war diesem weit älteren Mann – einem Exiltschechen, der als Musiker ihre in Deutschland lebende Cousine gleichen Vornamens beim Musikunterricht verführt hatte – zwei oder dreimal begegnet. Aber da sie diese Bekanntschaft nicht vor ihm verbarg, war er auf nicht so tiefgründig eifersüchtig, vielmehr fühlte er eine Art Triumph, sie ihm “ausgespannt” zu haben. Die meisten Beziehungen vor ihm hatte sie mit älteren und oft auch verheirateten Männern. Es mussten mehr als zwanzig gewesen sein, wie er manchmal aus ihren Erzählfragmenten zusammenzählte und darunter litt.
Machte es Sinn, auf die Vergangenheit eines anderen Menschen eifersüchtig zu sein? Was waren hier die Gewichte, die ihn belasteten? Ihm war nur klar, dass er mit seinen Gefühlen dazu nicht zu Rande kam. War es das Gefühl, selber zu kurz gekommen zu sein? Selber nicht auf einen solchen Erfahrungshorizont zurückblicken zu können? Oder widersprach es eher seiner immer noch gehegten Sehnsucht, eine unberührte Frau zu finden? Also wieder seinem katholischen Erbteil.
Seine in späterer Zeit durchgeführte Analyse kam schließlich zu einem anderen Ergebnis: Seine Eifersucht bezog sich nicht so sehr auf die Männer als auf das Ausgeschlossensein aus ihrem Leben. Manchmal war es ihm auf Grund dieser Erklärung auch gelungen, sich über die eigene Eifersucht lustig zu machen. Er kokettierte damit, brachte die Eifersucht so auf Distanz. Zwar stieg sie immer wieder drängend in ihm hoch, aber er verbarg diese Gefühle, indem er sie immer mehr kontrollierte und Eifersuchtsattacken nur mehr gezielt und bewusst einsetzte, wenn er sich von ihr verletzt oder missachtet fühlte. Gab er sich nicht bloß der Illusion hin, die Eifersucht zu kontrollieren, oder kontrollierte sie ihn nicht doch?
Da solche Szenen manchmal bewusst eingesetzter Attacken häufig mit ihren Tränen und seinen Entschuldigungen für die Verletzungen endeten, belasteten sie die erste Zeit. Später wir er sich fragen, ob diese Eifersucht für sie nicht auch eine Möglichkeit waren, ihr verdrängtes schlechtes Gewissen, das sie vehement leugnete, zu kompensieren. Oder war ihr auch klar, dass seine Eifersucht nicht den Männern ihrer Vergangenheit galt, sondern ihrer Verschlossenheit? Hier war sie wieder, die Schnecke als Symbol ihrer Persönlichkeit.
Durch den frühen Heiratsantrag und die darauf folgende rasche Verlobung nach wenigen Wochen ihrer Bekanntschaft hoffte er, sich selber diese Eifersucht nehmen zu können. In den ersten Jahren bis zur Hochzeit gab es zwar noch zahlreiche “Rückfälle”, doch nach der Geburt des Kindes schien es, als wäre die Eifersucht in ihm endgültig überwunden. Wie er generell begonnen hatte, seine Gefühle zu kontrollieren. Und er war darin offensichtlich einigermaßen erfolgreich.
Seine Kontrolle ging schließlich so weit, dass er all die folgenden Jahre jeden Gedanken und jede Möglichkeiten zur Eifersucht ignorierte. Er übernahm da zu einem Gutteil die von ihr vorgelebte Kontrolle über die Gefühle. Denn es gelang ihm nie, sie aus ihrem emotionalen Schneckenhaus und der manchmal vibrierenden Kontrolle herauszuholen.
Aber: War das seine Aufgabe? Diese „Mission impossible“?
Hatte er es aufgegeben, an sie heranzukommen?

Teufels.Pakt

Ziemlich genau sieben Jahre vor den zwei Wochen kamen eines Tages anonyme Emails, die ihn davon unterrichteten, dass er doch nicht so blauäugig sein sollte, alles zu glauben, was sie ihm erzählte. Er hielt diese für den üblichen Spam, der damals häufig verbreitet wurde, denn die Inhalte waren zunächst allgemein und austauschbar, hätten für viele gelten können. Die Hinweise wurden aber immer konkreter und bezogen sich schließlich eindeutig auf sie als Person. Ganz konkret wurden sie eines Tages, indem sie auf Reisen, die sie unter der Arbeitswoche unternahm, bezogen. Sie wäre heute in Wien oder in Salzburg unterwegs. Da sie ihm aber am Abend davon erzählte, dass sie den Tag für eine solche spontane Reise genützt hatte – sie brachte ihm aus Wien sogar manchmal seine Lieblingsbonbons mit -, gelang es ihm, den Argwohn zu unterdrücken.
Dennoch fühlte er sich immer wieder verletzt, wenn er mit ihr an einem solchen Tag am Frühstückstisch gesessen war und sich wie jeden Tag von ihr verabschiedet hatte, und sie zu diesem Zeitpunkt doch gewusst haben musste, dass sie nicht in die Arbeit fahren würde. Ein Satz hätte genügt, und er hätte sich in ihr Leben eingebunden gefühlt. So fühlte er sich wieder einmal vor den Kopf gestoßen und ausgeschlossen aus ihrer Welt. Wenn dann offensichtlich noch andere vor ihm davon wüssten, dann traf ihn das tief.
Aber er kämpfte gegen diese negativen Gefühle. Er war stolz auf sich, dass er ihr keine Szene machte, wenn er von ihr wieder einmal nicht vorher von einer solchen Tour informiert worden war, sondern beiläufig davon erfuhr. Dass er ihr aber auf Grund der zugespielten Vorinformation in seinen Gesprächen beim gemeinsamen Abend danach gar keine Wahl ließ – er hatte dann z.B. von einem zufälligen Anruf in ihrem Büro gesprochen, bei der er von der Sekretärin über ihren Urlaubstag informiert wurde -, erzählte sie ihm bereitwillig von einer Ausstellung, die sie besucht hätte. Sie fand nichts dabei, ihm nichts am Morgen von solchen geplanten Reisen zu sagen, denn ihr war nicht bewusst, dass sie ihn damit verletzte und seine Eifersucht damit schürte.
In den Emails war allerdings nie ein konkreter Hinweis enthalten, der auf einen Nebenbuhler hinwies, sondern waren wohl nur darauf ausgerichtet, ihr zu misstrauen. Nach der Trennung würde es ihm wie Schuppen von den Augen fallen, dass alle diese Aktivitäten eines Anderen darauf ausgerichtet waren, ihn zu destabilisieren und nicht auf “ihn” selber hinzuweisen. Das würde sich am Ende von selber ergeben.
Die Frequenz der Nachrichten war recht uneinheitlich – manchmal häuften sie sich, manchmal kamen mehrere Wochen keine Hinweise. Immer wieder überlegte er, ob er sie davon unterrichten sollte, doch er sagte sich, dass sie dann vielleicht vorsichtiger werden und ihre Aktivitäten noch heimlicher setzen würde.
Er schloss dadurch einen Pakt mit dem Teufel, der ihm auf diese Weise Zugang zu ihren Geheimnissen gewähren konnte.
Während die Emails seltener wurden, schien es, als wollte der Informant auf ein anderes Medium umsteigen. Er hatte sich als letztes Familienmitglied ein Mobiltelefon zugelegt, das billigste mit einer Wertkarte, wie es seinem Naturell entsprach. Bald hatte der anonyme “Informant” dieses Medium entdeckt und begann, ihn wieder mit “Geheimnissen” zu versorgen. Dieses Mal über SMS. Der Stil war ein anderer als in den Emails, wobei es zwei Formen gab: Eine Gruppe betraf wieder Hinweise auf ihre „heimlichen“ Aktivitäten, eine andere Gruppe von Nachrichten waren unvermittelte sexuelle Anspielungen. Zunächst harmloser Art, etwa dass sie von einem Mann in einem Kaffee geküsst worden sei – an den Text würde er sich noch lange erinnern, denn er war ohne Zwischenräume abgefasst: „BussiundnocheinBussiundnocheinesundnocheines!“
Später während ihrer Strasbourger Zeit waren es einige Male sehr direkte Beschreibungen sexueller Handlungen, die sie an einem Mann vornahm. Auch diese entsprachen jenem atemlosen Stil, wobei er vermutete, dass „er“ nur aus Bequemlichkeit die Leertaste vermied.
Relativ spät stellte er sich die Frage, woher dieser seine Telefonnummer gehabt hatte. Der Betreffende musste offensichtlich irgendwann einmal Zugang zu ihrem Mobiltelefon gehabt haben, denn er selber hatte seine Nummer weder in seinem beruflichen noch privaten Umfeld preisgegeben. Nur sein Sohn und sie kannten sie bzw. er nutzte sie für seine finanziellen Börsen-Transaktionen – allerdings handelte es sich dabei um Computerkontakte. Die Nachrichten, die auf seinem Mobiltelefon eintrafen, waren eindeutig von Menschenhand abgefasst. Er verwarf auch den Gedanken, dass es sich um zwei verschiedene Informanten handeln könnte.
Viele der SMS bezogen sich auf Vorfälle, die sie ihm sicher verschweigen würde. So erfuhr er noch lange vor ihrer Erzählung von einem Wohnungsbesuch, den sie einer schwer kranken, männlichen “Kaffeehausbekanntschaft” abgestattet hatte, die ihr dann geschäftstüchtig ein für sie ungeeignetes Fahrrad und eine klecksende Füllfeder aufgeschwatzt hatte. Aber da sie ihm später doch davon berichtet hatte, gelang es ihm, seine Eifersucht weiter zu kontrollieren. Ähnlich unglücklich endete eine Bekanntschaft mit einem Badeausstatter, der einen solchen Pfusch lieferte, dass er Jahre später in einem Prozess, den der andere auf Grund der teilweise zurückgehaltenen Zahlung angestrengt hatte, erst vor dem Richter Recht bekam. Oder ein Verleger, der ihr versprach, einen Text zu veröffentlichen, der aber monatelang mit einer Rückmeldung warten ließ, wobei das Projekt dann irgendwann im Sand verlief.
Ihm wurde allmählich klar, dass sie zu dieser Zeit viele Bekanntschaften geknüpft hatte, die sich vorwiegend in ihrem Stammcafé ergeben hatten. Sie hatte ihn von diesem Lebensbereich weitgehend ausgeschlossen, was auch damit zusammenhing, dass er sich meist um seinen Sohn kümmerte, während sie im Kaffeehaus hofiert wurde. Es blieb ihm unerklärlich, warum sie um diese Bekanntschaften einen solchen Schleier des Geheimen gelegt hatte.
Wozu brauchte sie diese Geheimnisse?
Hier war es wieder, dieses Ausgeschlossensein.
Aber er wollte nicht eifersüchtig sein. Dass er damit seine spontanen Gefühle geradezu kastrierte, kam ihm damals kaum in den Sinn. Er funktionierte wie ein perfekter Ehemann und war stolz darauf. Er war tolerant und ließ seiner attraktiven Frau, um die ihn doch jeder beneiden musste, allen erdenklichen Spielraum.
Eines Tages kamen per SMS konkrete Hinweise, dass “sein Schatzi” heute mit einem anderen unterwegs sei. Allerdings waren diese Hinweise für ihn nicht überprüfbar, denn wie sollte er mitten in einer Besprechung an der Universität in ein Café in der Innenstadt gehen, wo sie sich in der Mittagspause wieder einmal mit “einem Mann” getroffen haben sollte. Häufiger wurde er davon informiert, dass sie in einer Bar sitze, statt direkt nach der Arbeit nach Hause zu kommen. Allerdings trafen diese Nachrichten immer so spät ein, dass er sie schon unten im Hausflur hörte, nachdem er die diesbezügliche SMS gelesen hatte. Da er das Mobiltelefon wegen einer Lehrveranstaltung abstellte und danach vergaß, es wieder einzuschalten, erfuhr er erst am nächsten Tag davon. Sollte er sie darauf ansprechen? Es war zu lächerlich.
Einige Male war er selber argwöhnisch geworden, als er sie eine Stunde vor dem offiziellem Dienstschluss telefonisch nicht mehr in ihrem Büro erreichen konnte. Dann verließ er das Haus und ging zu dieser Bar, traf sie aber meist nicht mehr an. Nur ein paar Mal saß sie noch dort in relativ unverfänglicher Art und Weise an der Theke und trank ein Glas Wein – er wäre zufällig vorbeigekommen, da er noch in einem nahe gelegenen Lebensmittelgeschäft etwas für das Abendessen besorgen musste – und hätte sie zufällig gesehen. Wahrscheinlich sah sie ihm diese Lüge an und reagierte professionell, indem sie nicht weiter in ihn drang und diese Erklärung akzeptierte. Er hatte darob ein so schlechtes Gewissen, dass er sich beinahe entschuldigte, sie hier beim “Ausklang der Arbeit” gestört zu haben. Einige Male hatte sie ihn so von der Notwendigkeit dieser Zäsur zwischen Arbeit und Haushalt belehrt, dass er es als aufdringlich empfunden hätte, wenn er ihr den Vorschlag gemacht hätte, diese Zäsur gemeinsam zu begehen. Jahre nach diesen Ereignissen wird er auf einer Lesung eine Schriftstellerin kennenlernen, die ihm im Smalltalk beiläufig erzählt, dass sie seine Frau früher sehr regelmäßig in dieser Bar angetroffen habe. Allerdings konnte sie auf seine Nachfrage rückblickend nicht sagen, ob seine Frau in einer ständigen Begleitung gewesen war, da an der Theke um diese späte Tageszeit die Personen häufig wechselten.
Die extrem sexuell orientierte Varianten der Nachrichten setzten erst kurz vor der Strasbourger Zeit ein. Sie schürten unmittelbar vor der Abreise seine Eifersucht, die er all die Jahre so gut unter Kontrolle gehalten hatte. Die von ihr angestrebte Trennung ließ ihn in seine früheren Verhaltensweisen regredieren. Wieder stand er kurz davor, ihr von diesen zugespielten Informationen zu erzählen, aber da er diese so lange für sich behalten hatte, fühlte er sich beinahe schuldig, so viele Jahre nicht offen gewesen zu sein. Und er wusste, dass sie auf Gespräche, die sie als Person betrafen, immer ärgerlich reagierte, denn in ihr Schneckenhaus sollte niemand eindringen. Auch er nicht.
Es war auch knapp nach jener Zeit, in der sie an ihrem Arbeitsplatz ums Überleben kämpfte und gleichzeitig mitten im Klimakterium war. Er fürchtete, dadurch noch mehr Öl in die zu dieser Zeit ohnehin oft in Flammen stehende Beziehung zu gießen.
Während ihrer Strasbourger Zeit gab es sehr lange Pausen bei den Informationen des Teufels, nur einmal gab es eine Häufung unmittelbar nach seinem ersten Besuch bei ihr. Einige der SMS kamen über einen französischen Anbieter, also befand sich der Informant offensichtlich ebenfalls im Ausland. War er mit ihr zusammen?
In der Zeit danach, in der sie in der Hauptstadt arbeitete, gab es noch größere Abstände. Auch hier dominierten die Hinweise auf Reisen, die sie unternahm, wobei sie ihm diese aber nicht verschwieg.
Die Präsenz des Informanten sogar im Ausland hätte ihn eigentlich stutzig machen müssen, aber vermutlich glaubte er allmählich selber an den Teufel, der mit ihm einen Pakt geschlossen hätte. Warum der Informant so gut über sie Bescheid wusste, enthüllte sich ihm als recht einfache Lösung erst gegen Ende ihrer Beziehung.
Als sie nach der externen Berufstätigkeit wieder in Graz zurück war, gab es kaum noch SMS-Informationen, auch wenn diese hie und da auf seinem Mobiltelefon einschlugen, meist während kurzer gemeinsamen Urlaubszeiten.
War der andere auf ihn eifersüchtig? Wollte er ihn provozieren?
In diesem einen Jahr zeichnete sich die Trennung mehrmals ab und offensichtlich sah der andere keinen Grund mehr, seine Eifersucht weiter zu provozieren. Nachträglich würde ihm klar werden, dass „er“ sich sicher sein konnte, sein Ziel zu erreichen, denn sie wäre am liebsten überhaupt nicht mehr zurückgekommen, was natürlich bei weitem nicht so wirkungsvoll wäre, ihn endgültig zu zerstören.
Kurioserweise werden die obszönen Nachrichten auch noch nach der Trennung kommen, aber wesentlich spärlicher und meist unmittelbar nach seinen Versuchen, mit ihr wieder einmal einseitig Kontakt aufzunehmen. Da seine Versuche in dieser Richtung auf Grund ihrer völligen Ignoranz immer seltener wurden, wurden auch die Nachrichten seltener.
Er fragte sich: Welche Absicht standen hinter diesen nun doch recht überflüssigen Versuchen, ihn eifersüchtig zu machen? Ihm den weiteren Kontakt zu vergällen? Das war nur mehr lächerlich, wo der Andere doch erreicht hatte, dass sie ihn verlässt. Der Kontakt mit ihr war doch nun problemlos möglich, er stand ihnen nicht mehr im Weg. Er war auf raffinierte Weise aus der Beziehung gemobbt worden. Oder hatte sie sich letztlich auch gegen “ihn” entschieden, weil sie von allen Männern genug hatte? Sie würde mit Scheuklappen durch die Hauptstraße gehen, hatte sie ihm einmal an den Kopf geworfen. Schließlich würden alle Männer, die sich für sie in diesem Alter interessierten, doch nur das wollen, was sie ihm aus einer Art Ekel heraus, der wohl in ihren frühen sexuellen Erfahrungen begründet lag, verweigert hatte.
Die späte Hinwendung zu Frauen, die sie ihm gegenüber als eine Begründung für die Trennung nannte, und sich nicht mehr für Männer zu interessieren, sollte das bestätigten. Gleichwohl sah er sie nach der Trennung zufällig mehrmals in Begleitung anderer Männer.
In den zwei Wochen wird er zu der ernüchternden Erkenntnis gelangen, dass er das schleichende Gift dieser Nachrichten schlicht unterschätzt hatte. Dass er seine Fähigkeit, die Eifersucht in sich niederzukämpfen und unter Kontrolle zu halten, überschätzt hatte. Ohne konkrete Beweise hatte er schweigen wollen und schließlich auch gar nicht nach ihnen gesucht, denn das hätte in seinen Augen Eifersucht bedeutet. Und er wollte zu sich selber ehrlich sein.
In diesen zwei Wochen, nachdem sie ihn nun nachweisbar und offensichtlich mit ihrer ersten Liebe hintergangen hatte – Hatte sie es getan? Zweifelte auch er trotz der Beweise daran? -, wurde diese Eifersucht hemmungslos in ihm hochgespült. All der Argwohn, die Phantasien waren mit einem Mal wieder da. Hatte sie “ihm” mehr gegeben, als sie zugegeben hatte? Wollte sie ihren Liebhaber – War er einer? – schützen, schützen vor ihm, vor seinem Jähzorn. Vermutlich traute sie ihm zu, diesen Mann zu töten. Und auch in seinen Phantasien kamen solche Tötungsabsichten sehr lebendig vor, als er sie von hinten beim Betreten eines Lokals sah. Sollte er nach Hause gehen und ein Messer holen? Sie vor dem Lokal erwarten, das sie irgendwann verlassen mussten. Sollte er ihnen folgen und ihn dann bei einer günstigen Gelegenheit erstechen? Er würde das von vorne tun, sie überraschen, sich vorstellen lassen und dann plötzlich zustechen. Er wollte sehen, wie der jahrelange Quäler seiner Gefühle stirbt. Aber war es der geheime Informant, der ihm all die Jahre seine Phantasien angestachelt hatte. War es der Liebhaber? War es nur ein Kollege, mit dem sie eine Besprechung hatte?
Der Pakt mit dem Teufel würde so erfüllt werden. Der Kreis würde sich für den anderen schließen.

In den zwei Wochen hatte er niemanden in seiner Umgebung, mit dem er über ihren Betrug reden konnte. Er konnte sich auch nicht vorstellen, mit jemandem darüber zu reden. Sein Sohn, der an einem Wochenende in diesen zwei Wochen in Graz gewesen war, war nicht der geeignete Gesprächspartner. Er wollte ihn schützen, ein solches Bild der Mutter zu sehen. Es gab einen auch seinem Sohn bekannten Präzedenzfall: Der Vater eines seiner Freunde – beide hatten in früher Jugend im selben Tennisverein gespielt und die Väter kannten sich als abwechselnd tätige Mannschaftsführer der Jugendgruppe gut – hatte vor einigen Jahren seine Frau von einem Tag auf den anderen verlassen. Seither weigerte sich der Sohn, auch nur ein Wort mit seinem Vater zu sprechen. Der Vater litt so sehr darunter, wobei sich das deutlich in seinem Äußeren zeigte, denn er war vordem recht korpulent gewesen, hatte aber unter der Situation leidend mehr als zwanzig Kilogramm verloren und sah um mindestens zehn Jahre älter aus. Hatte er sich äußerlich auch so verändert? Er prüfte es immer wieder im Spiegel und stellte fest, dass er sich wenig verändert hatte.
Nach den zwei Wochen fasste er endlich den Mut und versuchte, mit jener Kollegin, die in Graz zu einer persönlichen Freundin geworden war, zumindest telefonisch in ein Gespräch zu kommen. Sie lebte mit einem Künstler in Wien und diese waren das einzige Ehepaar, zu dem sie in all den Jahren einen wenn auch unregelmäßigen und seltenen Kontakt pflegten. Da diese Kollegin am Beginn des Schuljahres – sie war Leiterin einer Fachhochschule – zahlreiche Termine hatte, gelang es ihnen über eine Woche nicht, zu einem längeren Gespräch zu kommen, in welchem die Ruhe und die Zeit war, eine persönliche Angelegenheit zu besprechen. Sie wollten es während der Arbeitszeit tun, denn es wäre nicht so leicht gewesen, das innerhalb jener Mauern zu tun, in denen sie auch anwesend war, trotz der Größe der Wohnung, die sie schon lange nutzte, um auf Distanz zu ihm zu gehen. Nach einer neuerlichen unerfreulichen Aussprache an einem Morgen – sie hatte durch die Unordnung in ihrem Kleiderschrank entdeckt, dass er ihr jene Reizwäsche weggenommen hatte, die er ihr vor einigen Jahren geschenkt hatte, um ihrem Sexualleben einen Impuls zu verleihen – rief er seine Freundin in deren Wohnung an. Es fiel ihm nicht leicht, diese ihn in seinen Augen erniedrigenden Ereignisse im Detail zu erzählen. Zum Glück hatte sie auf Grund der bisherigen kurzen Telefonate schon geahnt, was geschehen war. Sie nahm sich eine Stunde Zeit für ihn.
Die im psychosozialen Bereich erfahrenen Freundin konnte die erlebte Verletzung nicht nur verstehen, sondern sie ermutigte ihn, auf Distanz zu gehen und nicht – wie es offensichtlich in seinem Naturell war – auf sie zuzugehen. Sie hätte ihn betrogen und sie hätte trotz des Schrittes, mit dem anderen Schluss zu machen – den sie unmittelbar vor Strasbourg wieder zurücknahm; weil sie sich mit ihm dort treffen wollte? -, auf ihn zuzugehen. Er sollte in keinem Fall eine Umkehrung dieser Verhältnisse dulden. Er war überrascht, wie trefflich sie seine Frau in all den Jahren einzuschätzen gelernt hatte. Sie sprach offen die Asymmetrie der Beziehung an, die immer auf seine Kosten gegangen wäre. Sie hatte immer wieder mitbekommen, dass sie mehr oder minder nur an sich dachte und nie an die Beziehung. Er solle vor diesem Egoismus nicht die Augen verschließen und auch nicht versuchen, ihr den Schritt zurück zu leicht zu machen. Sie und nur sie habe ihn betrogen. Auch wenn es ihm schwer fällt, müsse er in dieser Situation an sich denken und nicht an die Beziehung oder gar an sie. So oder so müsste sie sich entscheiden und wenn er wollte, dass sie zu ihm zurückkommt – und auch das wusste sie, dass er das wollte -, dann könne er, so schmerzlich das auch sein mag, darauf keinen Einfluss nehmen. Nicht er müsse bitten und betteln sondern sie. Sie habe sein Vertrauen missbraucht und er habe jedes Recht auf Misstrauen.
Es tat ihm weh, diese nüchterne Analyse aus dem Mund einer Freundin zu hören, denn er selber hatte in seiner Hilflosigkeit nicht den Mut, sich diese Tatsachen, mochten sie auch noch so offen auf dem Tisch liegen, einzugestehen. Nicht nur Liebe macht blind, sondern auch der Hass. Hass? Er stolperte über dieses Wort. War es Hass, der ihn in dieser Zeit antrieb? Nach diesem Gespräch wird er zur Überzeugung gelangen, dass auch er fähig war, zu hassen. Und dass die Unterdrückung des Hasses jene Energie in ihm band, die er brauchte, um sich seiner Lage gemäß zu verhalten. Gab es in dieser Situation überhaupt ein richtiges Verhalten? Kann man das lernen?
Besonders traf ihn das Kopfschütteln, das er in der Stimme seiner Freundin hörte, als er ihr von den zahlreichen Hinweisen zu ihren Heimlichkeiten in den letzten Jahren erzählte. Wahrscheinlich sei es der Nebenbuhler selber gewesen, der auf diese Weise ihre Beziehung zerrütten wollte, indem er in ihm diese mit der Zeit unterdrückte Eifersucht schüren wollte, von der “er” offensichtlich wusste, dass sie solche Vorwürfe, Unterstellungen hasste. Er sollte nicht wieder so blauäugig sein, ihren Beteuerungen zu glauben, dass sie kein Verhältnis gehabt hätten. Der Andere hätte gezielt ihre Beziehung sabotiert, indem er ihr das Gefühl gab, sie in allem zu verstehen und paradoxerweise sogar dazu zu bestärken, bei ihm zu bleiben, weil er eine Methode wusste, wie er ihn manipulieren könnte, von innen heraus die Beziehung zu zerstören. Er brauchte nur zu warten.
Eine Freundin aus dem Internet – er hatte zahlreiche langjährige Kontakte durch seine literarischen Aktivitäten in virtuellen Gruppen – sandte ihm in diesen Tagen ein Gedicht von Kelly Priest:

Mit der Zeit lernst du,
dass eine Hand halten nicht dasselbe ist,
wie eine Seele fesseln.
Und dass Liebe nicht Anlehnen bedeutet,
und Begleiten nicht Sicherheit.

Du lernst allmählich,
dass Küsse keine Verträge sind,
und Geschenke keine Versprechen.

Und du beginnst,
deine Niederlagen erhobenen Hauptes
und offenen Auges hinzunehmen,
mit der Würde des Erwachsenen,
nicht maulend wie ein Kind.

Und du lernst,
all deine Straßen auf dem Heute zu bauen,
weil das Morgen ein zu unsicherer Boden ist.

Mit der Zeit erkennst du,
dass sogar Sonnenschein brennt,
wenn du zuviel davon abbekommst.

Also bestelle deinen Garten
und schmücke selbst dir die Seele mit Blumen,
statt darauf zu warten,
dass andere die Kränze flechten.

Und bedenke,
dass du wirklich standhalten kannst,
und wirklich stark bist.

Und dass du deinen eigenen Wert hast.

Können Verse trösten? Kann es trösten, dass ein anderer das selbe Schicksal erlitten hat? Gibt es in der Liebe eine Duplizität der Fälle?
War ihre Liebe auch nur eine von vielen, eine übliche?
Eine, die man von der Stange kauft?
Er wollte das in all den Jahren nicht glauben und kämpfte dafür, dass es nicht so wäre. War nun dieser Kampf verloren?
Hatte ihn die Alltäglichkeit eingeholt?
Sie hatte den Kampf schon längst aufgegeben, wie sie sagte.
Er hatte es nicht bemerkt und erst sehr spät erkannte er, dass er in seinem Kampf allein war. Aber er glaubte daran, dass er für zwei kämpfen könnte.
Nun weiß er, dass sein Kampf gescheitert ist.
Auch der Kampf gegen seine Eifersucht, gegen sein Naturell.
Hatte er damit auch seine Persönlichkeit zerstört?
Vielleicht hat sein Kampf den Rest der Illusion zerstört.
Wer hat versagt?
Gibt es eine Schuld?
Ist nicht seine Blindheit gegenüber den doch so offensichtlichen Zeichen ihrer Untreue genauso schuld daran wie ihre Resignation ob seiner Selbstkontrolle, die all seine spontanen Gefühle unterdrückte?
Da an diesem Tag auch sein Sohn für eine Woche nach Graz kam, fragte er seine Freundin am Telefon, ob er darüber auch mit ihm sprechen sollte, denn er wollte ihn zwar nicht mit hineinziehen, allerdings war der Sohn in ihrer Beziehung ein guter Seismograph gewesen, der immer fühlte, wenn es Spannungen gab. Immer zog er sich wohlweislich zurück, denn er litt unter den Auseinandersetzungen, wobei er fürchtete, als Schiedsrichter missbraucht zu werden. Er wollte auch kein Go-between sein, denn er liebte beide Elternteile.
Ihr Sohn wäre ohnehin mittendrin. Direkt ansprechen sollte er es nur, wenn es sein Sohn täte. Er sollte in jedem Fall das Gespräch dahingehend suchen, von ihm zu erfahren, wie er die zahlreichen Situationen der Spannung und des Streites miterlebt hätte. Denn auch er braucht Hilfe, um mit dieser Belastung umzugehen. Irgendwann wird er ja doch erfahren, dass seine Mutter seinen Vater betrogen hatte. Es bestünde kein Grund, sie auch davor zu schützen, um seine Achtung nicht zu verlieren. Sie hatte es getan und sie hatte die Folgen zu tragen.
Er wird es schließlich seinem Sohn nach ihrer Entscheidung, den Mann zu verlassen, mit dem sie dreiunddreißig Jahre zusammen gelebt hatte, erklären. Sein Sohn wird dann wissen, dass seine Mutter ihren Vater betrogen hatte. Er wird dann auch manche Illusion verloren haben, Illusionen, die für manche Menschen zum Glück dazugehören. Dreiunddreißig Jahre Illusionen.
Dreiunddreißig.
Welche Schnapszahl.
Am Ende des Gesprächs mit seiner Freundin las er die Dauer von 58 Minuten am Display des Telefons ab und konstatierte beinahe mit Genugtuung, dass wenigstens die Kosten dieses Telefonats sie tragen müsste, denn die Gebühren wurden im Zuge des damals noch geübten haushaltlichen Kostenausgleichs von ihrem Konto abgebucht.
Die Reizwäsche legte er in den Schrank zurück.
Ihm war in diesen zwei Wochen auch klar geworden, warum er nach ihrer beruflich bedingten Rückkehr aus Wien keine Chance gehabt hatte, da sie ihn von Anfang an als Teil des „Systems Graz“ – sie nannte es einmal so – betrachtete und daher all die beruflichen Frustrationen auch auf ihn und ihr Zusammenleben übertrug. Der Andere hatte ihr nach ihren Aussagen selbstlos zu der Rückkehr geraten, denn er natürlich wusste, dass er ihn durch gezielte SMS-Botschaften zu einer Zeitbombe gemacht hatte. Er musste bloß warten, bis sie explodierte. Und dann würde sie ihn verlassen.
Sie könnte sich niemals eingestehen, einen Fehler begangen zu haben. Sie war in der Zeit ihrer Beziehung zu Selbstkritik unfähig gewesen, zumindest was ihren Anteil an der Beziehung betraf. Er erinnert sich an keine einzige Situation, für die sie sich entschuldigt hätte. Das Wort Entschuldigung kam nie über ihre Lippen. Sie gab zwar zu, auch an dem einen oder anderen Streit „mit“-schuldig gewesen zu sein, allerdings war es immer nur eine allgemeine und sie als Person nicht berührende Formulierung, etwa „Bei einem Streit sind immer beide beteiligt!“ Auch den für die damalige Situation lächerlichen Vorwurf des „Missbrauchs“, den sie im Frühjahr als Anlass für ihre Auszeit genommen hatte, nahm sie nie mit einer Entschuldigung zurück, sondern ersetzte den Begriff durch einen anderen.
Ihre Beziehung war davon geprägt, dass an allem, was schief lief, er allein die Verantwortung trüge und auf Grund der von außen geschickt manipulierten Gefühle auch dazu bereit war. Ihre Beziehung war dadurch geradezu gekennzeichnet, dass immer er es war, der sich bei Problemen schuldig fühlen musste. Früher hatte sie ihm sogar paradoxerweise vorgeworfen, dass er es wäre, der versuche, in ihr Schuldgefühle auszulösen. Und er fühlte sich schuldig, das zu tun.
Wollte er ihr die Schuldgefühle ersparen, indem er alles auf sich nahm?
War er der Sündenbock in der Beziehung, dem man all das Unheil aufbinden und dann in die Wüste schicken konnte?
War das der Preis des Teufelspaktes?
Hatte sich der Mechanismus des Sündenbocks für das Funktionieren ihrer Beziehung als so heilsam erwiesen, dass sie damit für einige Zeit nicht in vielleicht zerstörerische Rivalitäten zurücksinken mussten?
Diese Schieflage hatte er mit der Zeit verinnerlicht und glaubte mit der Zeit selber daran, dass es tatsächlich so wäre. Er nannte sich einen Idioten, der nicht fähig wäre, es in einer Beziehung richtig zu machen. Seine Abendgebete waren oft nichts anderes als eine verbalisierte Demontage seines Selbstbewusstseins, seines Ich.
Die übernommene Sündenbockrolle – gleichwohl durch den katholischen Katechismus in ihm angelegt – erzeugte ein permanent schlechtes Gewissen, wobei er ohne Unterlass bemüht war, nichts falsch zu machen. Wohl auch aus diesem Grund beging er Fehler. Er wurde in offenen und kritischen Situationen im Umgang mit ihr immer ängstlicher, wobei ein Merkmal seiner Angst die Panik war, in der er verletzt verletzend wurde und verbal zurückschlug. Aber er hatte sich meist unter Kontrolle und dies trug ihre Beziehung über viele Jahre hinweg.
Erwartete er Anerkennung dafür, dass er seine Emotionen unterdrückte?
Wollte er doch nicht als Sündenbock geopfert werden? Wollte er einmal aus dieser Rolle ausbrechen?
So nüchtern hatte er es in den zwei Wochen analysiert.
Hier war sie wieder, diese vernunftgeleitete Kontrolle. Schließlich gab es für die Emotionen ja den Pakt.
Diese Angst mit all dem Unheil beladen in die Wüste geschickt zu werden, führte auch dazu, dass er in vielem schon von vorneherein versuchte, sich in ihre Lage zu versetzen, was wohl notwendigerweise immer wieder schief ging, denn sie war ihrem Naturell nach sprunghaft und wenig berechenbar. Einerseits ging von dieser Ambivalenz ein gewisser Reiz aus, andererseits machte ihr Verhalten die gedeihliche Entwicklung einer stabilen und auf einer gewissen Berechenbarkeit beruhenden Beziehung schwierig, wenn nicht unmöglich.
Manchmal dachte er, dass sie das selber wusste und auch bemüht war, daran etwas zu ändern. Das war vor allem in der Zeit, in der sie sich auf die Ehe vorbereiteten. Es war ihr nie gelungen.
Ein Merkmal, das vermutlich mit dieser Unstetigkeit zusammenhing, war ihre Unfähigkeit, auf eine harmlose Frage nach einer persönlichen Bewertung eine eindeutige Antwort zu geben. Es gab immer wieder Situationen, in denen er sie nach ihrer Meinung zu einem Kunstwerk, einem Ereignis, einer Entwicklung befragte. Sie vermied es stets, eine direkte Antwort zu geben, sondern hatte in diesem Augenblick einen forschenden, fragenden Blick, was der andere erwarte. Und da er nichts erwartete, sondern einfach ihre Meinung wissen wollte, fand sie in seinem Gesicht keine Antwort, die sie hätte geben können.
Hatte sie Angst vor einer eigenen Meinung? Hatte sie Angst, etwas Falsches zu sagen?
Hatte jede Exposition in ihrer Beziehung dazu geführt, dass der andere daraus einen Vorteil zog?
Hatten beide Angst?
War Angst das bestimmende Element ihrer Beziehung?
Dreiunddreißig Jahre Angst?